Helin, Isa & Leoš's Statement on Paper N°6
Regarding the text “Liebe Studis, Ihr seid alle Scheiße” from Nadezhda Dementjeva
It recently came to our realization that, this text was edited and altered during the proofreading and grammatical correction process, directly disregarding the authors wishes. We hereby would like to openly state that we find this wrong and would like to publicly apologize. We are very sorry that such a thing happened and claim full responsibility.
Our principles of creating an environment of positivity, which stands in solidarity with underrepresented and marginalized groups, haven’t been met while publishing this text.
While acknowledging that this cannot be undone, we’d like to correct our mistake and re-publish it in it's original form.
Unedited: hey studis, ihr seid scheiße
Tut mir leid, aber jemand muss euch das ja mal sagen.
Irgendwann mal – ich war jung und naiv – da dachte ich, am Bauhaus, da müsste es doch ganz nett sein. Modern, progressiv und aufgeschlossen und so. Vielleicht wäre das ja was für mich, vielleicht wäre ich da willkommen. Tja. Ist jetzt schon länger her. Mit der Realität hatte das natürlich nichts zu tun.
Aber ich glaubte ja irgendwie an das Gute im Menschen, und das ich die Dinge vielleicht ein bisschen besser machen könnte. An der Uni, in der Studierendenschaft, in Gremien und was weiß ich. Ha. Was war ich blöd.
Neulich saß ich mal wieder in irgendeiner Sitzung, und da meinte dann ein Vertreter der Uni, die Lehre hier müsste mehr mit Gender machen, weil andere Unis machen das ja auch. Natürlich hat der dabei mich angeschaut. Ich meine, klingt jetzt erst mal gut, aber seien wir ehrlich, das endet wahrscheinlich wieder im Desaster. So wie etwa der Vorstoß unserer neuen Diversitätsbeauftragten (hey, immerhin haben wir jetzt eine! Ich habe nicht mehr dran geglaubt) zur "Gleichsetzung der beiden Geschlechter" (gibt ja nur zwei).
Und so wie der ganze Dreck, den die Studis hier am laufenden Band produzieren. Diese wunderbare Ausstellung im Funkhaus, wo trans* und Travestie gleichgesetzt wurden. Gefolgt von diesen ganzen dummen Drag-Parties, organisiert von Menschen die null Bezug zu Drag haben und unfähig sind irgendwelche politischen Implikationen dahinter sehen. Ey, wir sind in Weimar am Bauhaus, hier ist eh alles unpolitisch. Wir wählen grün (wenn überhaupt) und fühlen uns dann gut, und besser als die anderen. Diese ganzen harten Jungs, die sich ein schlecht sitzendes Kleid überwerfen, Clown-Makeup anlegen und dann gegenseitig drüber lachen. Hihi, Femininität. Hihi. Ihr seid ja so viel besser als die alten weißen Männer an den Stammtischen mit ihren Blondinenwitzen!
Weil so privilegierte Arschkrampen wie ihr das Problem ja nur verstehen, wenn ihr ein tragisches persönliches Beispiel dazu serviert bekommt (abstrakte Empathie läuft bei euch ja irgendwie nicht), kriegt ihr jetzt eins. Trauma Porn, Baby. Ich weiß ihr geht da drauf ab, über sowas macht ihr schließlich Abschlussfilme. Dafür sind Menschen wie ich halt gerade noch gut.
Alright: Die Studierendenschaft hat neulich mal wieder versucht mich umzubringen. Die sind da hartnäckig. Szene: eine Freundin hat mich zu einer Party im Funkhaus mitgeschleift. Ich dachte mir, hey, warum nicht, war schon lange nicht mehr bei sowas, klingt ja ganz nett. Am Einlass habe ich deutlich mehr Rückgeld bekommen als ich erwartet hatte, aber komm, über sowas beschwere ich mich natürlich nicht. Nach einiger Zeit sind mir dann vermehrt so Typen in richtig schlechtem Drag aufgefallen, und irgendwann wurde ich informiert, dass Menschen in Drag nur halben Einlass zahlen. So wie ich. Ab dem Moment war es vorbei. Krasses Gefühl. Als wäre in einem Sekundenbruchteil jegliche Lebensfreude aus mir gewichen. Ich habe mich komplett kalt gefühlt, so als wären all meine Emotionen einfach weg, als wäre da gar nichts mehr. Ich bin direkt gegangen, ach was, geflohen. Saß dann im dunkeln zuhause und...tja. Eigentlich ging es mir davor besser als jemals zuvor in meinem verkackten Leben. Ich hatte echt lange nicht mehr an Selbstmord gedacht. Aber die Nacht war verdammt hart, und die nächsten Wochen auch. Ich sah keinen Sinn mehr darin, dieses Leben weiterzuführen. Für was denn auch.
Habt ihr einmal über die verfickten Implikationen von solchen dummen Aktionen nachgedacht? Natürlich nicht, sonst würdet ihr so eine Scheiße ja hoffentlich nicht machen. Da sitzen also ein paar Studis am Einlass und entscheiden über Geschlechtsidentiät. Schick. Ja, ich bin jetzt hier die "did you just assume my gender"-bitch. Bitteschön. Ey, ich war den ganzen Tag in dem Outfit unterwegs gewesen. Ich sehe immer so aus. Was ihr mir gesagt habt, war, dass mich alle als eine scheiß Karikatur von Femininität sehen, dass ich ein Witz bin, eine schlechte Verkleidung, ein Party-Gag. Dass mein ganzes Leben nur das ist. Danke für nichts.
Wenn das jetzt bloß alles wäre. Ein paar Wochen drauf sitzt dann die Planungsgruppe für den Spacekid Headcup zusammen und überlegt sich ein Motto für dieses Jahr, und entscheidet sich dann für "Drag Race". Fickt euch. Ernsthaft. Ihr seid nicht progressiv und wagemutig, ihr seid einfach nur scheiße. Da sitzen ein dutzend weiß-mittelschicht-cis-hetero-kids an einem Tisch und wollen was mit Drag machen. Ist ja lustig. Und bunt und so. Und versuchen mir dann noch zu erklären, dass das ja voll "politically correct" wird, weil sie machen sich ja Gedanken. Ja sicher doch! Mit euren Politikverständnis geht das sicher voll korrekt! Ihr seid ja voll queer culture, weil ihr kuckt RuPaul!
Nehmt das den queeren, gender-nonconforming Menschen halt auch noch weg. Ihr habt schon den scheiß CSD als schicke bunte Verkleidungs-Spaßparty appropiert, jetzt ist sogar die CDU da, läuft doch super! Techno ist jetzt auch ne Bro-Domäne, also whatever. Da könnt ihr euch den Rest auch noch schnappen. Ich verstehe euch ja. Voll. Oh nein, queere Menschen haben eigene Kultur, ich fühl mich ausgeschlossen, also muss ich es ihnen wegnehmen! Macht schon Sinn.
Das geht auch raus an "GD", der hier neulich rumgeheult hat, dass er sich als Mann vom Frauenkollektiv ausgeschlossen fühlt. Und das geht auch raus an die anderen Kackbratzen, die sich hier über Feminismus aufregen, rumheulen, dass die armen Männer unterdrückt werden, und dann noch "Feminismus bedeutet die Stärkung des Weiblichen und nicht, andere Geschlechter auszugrenzen" hinterherschieben. Oh weh, all diese Unterdrückung von Männern! Die Diskriminierung! Die systematische Benachteiligung! Die Gewalt, die ihnen überproportional widerfährt! Hach je. #metoo, ihr armen Würste, #metoo. Endlich könnt ihr auch mal Opfer sein! #notallmen! Raus aus dem Schuldkult; lasst uns doch lieber das Weibliche stärken und die Frauen
zurück an den Webstuhl schicken.
Ein herzliches fick dich Bauhaus, fick dich StuKo, fick dich Studierendenschaft, fick dich Weimar. Krieg deinen Scheiß mal auf die Reihe, reflektiere deine Privilegien und hör auf im Namen der Kunst und der schicken Instastory marginalisierten Gruppen in die Fresse zu treten.
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Regarding the text “Liebe Harry, Liebe” from Lisa Schön
The title of the text was meant to be “Von Frau Unfrei, die loszog, um frei zu werden.”. We apologize for the mistake, and would like to ask everyone to disregard the previous title.
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Helin, Isa & Leoš from Dass Blatt
Further more:
The problems revealed by Paper No.6, made us realize that we never openly shared how we handle submissions, after they reach us. We will add a page on our website sharing this process to erase misconceptions.